Egunkaria: Verfahrenseinstellung nach elf Jahren

Elf Jahre nach der widerrechtlichen Schließung der baskischen Tageszeitung Egunkaria hat das Landgericht von Gipuzkoa das letzte Verfahren gegen acht Verlagsmitarbeiter wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten und Geldwäsche für die Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA; Baskenland und Freiheit) eingestellt. Die Vorwürfe sind mittlerweile verjährt. Den Angeklagten drohten neben langjährigen Haftstrafen auch Geldbußen in Millionenhöhe.

Der Prozess geht auf eine Polizeiaktion zurück, die am 20. Februar 2003 stattfand. Mehrere Hundert Zivilgardisten durchsuchten landesweit die Redaktionsräume von Egunkaria und nahmen zehn Mitarbeiter der Zeitung fest. Vier von ihnen zeigten Folter während der fünftägigen Incomunicado-Haft an, in der sie keinen Kontakt zu Vertrauensanwälten hatten. Die Polizei verdächtigte sie, der ETA anzugehören und an deren Finanzierung beteiligt gewesen zu sein. Mit dieser Begründung hatte die Zivilgarde einen richterlichen Beschluss erwirkt, der zur Schließung der einzigen, vollständig auf Baskisch erscheinenden Zeitung führte.

Schlag gegen die Mitte der Gesellschaft

Diese Massnahme und der Umfang der Polizeioperation überraschten, da Egunkaria in der Mitte der baskischen Gesellschaft verortet war und nicht zur linken Unabhängigkeitsbewegung zählte. Die Tageszeitung erhielt sogar Subventionen von der Regierung der Autonomen Baskischen Gemeinschaft und anderen öffentlichen Institutionen. Entsprechend gross und breit war der Protest, der sich nicht nur im Baskenland, sondern auch in Katalonien, gegen die Schließung von Egunkaria erhob. Dank des breiten gesellschaftlichen Fundraisings und der institutionellen Unterstützung füllte schon bald das neue Blatt Berria diese Lücke in der Presselandschaft des Baskenlandes.

Die damalige Regierung des Postfranquisten José María Aznar (PP) rechtfertigte die Verletzung der Pressefreiheit und verklagte die Journalisten vor, die Folter im Polizeigewahrsam angezeigt hatten. Der Schlag gegen die Mitte der baskischen Gesellschaft passte ins politische Konzept der Zentralregierung, die so versuchte, den Widerstand vieler Basken gegen die nationalistische Politik von Aznars Volkspartei zu brechen.

Schon 1998 hatte das Sondergericht für Terror- und Drogendelikte, die Audiencia Nacional, unter Federführung des Untersuchungsrichters Baltasar Garzón die Zeitung Egin und deren Radiosender Egin-Irratia schließen lassen. Jene richterlichen Massnahmen dienten der Zivilgarde als Blaupause, um gegen Egunkaria vorzugehen. Eine Phalanx aus Politik und Medien bügelte alle Vorbehalte gegen Garzóns Entscheidungen ab, obwohl deren Unrechtmäßigkeit schon damals sichtbar war.

Klatsche für Garzón

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Im Dezember 2009 demonstrierten 29 000 Menschen in Bilbo ihre Solidarität mit den Angeklagten im Egunkaria-Prozess. (c) Ingo Niebel

Im April 2010 erhielten im ersten Egunkaria-Prozess alle fünf Angeklagten einen Freispruch erster Klasse. Die Audiencia Nacional erkannte, dass die Zivilgarde keinen einzigen Beweis vorgelegt hatte, der eine Zusammenarbeit der Beschuldigten mit der ETA belegt hätte. Des Weiteren belehrte der Vorsitzende Richter die Polizisten, dass es nicht strafbar sei, sich für das Baskische als erste Amtssprache im Baskenland zu engagieren, nur weil das auch die Untergrundorganisation fordert. Das Urteil bedeutete eine weitere Klatsche für den ehemaligen Untersuchungsrichter Baltasar Garzón dar, der die Voraussetzungen für die Polizeiaktion geliefert hatte.

Nicht verfolgte Foltervorwürfe

Im Oktober 2012 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg den spanischen Staat zu einer Entschädigungszahlung von 24 000 Euro, weil er der Anzeige von Otamendi wegen Folter im Polizeigewahrsam nicht nachgegangen war. Der Chefredakteur von Egunkaria hatte die Misshandlungen in der Incomunicado-Haft bereits bei seiner Vernehmung durch den Untersuchungsrichter angezeigt, der aber untätig blieb. Alle weiteren Gerichtsinstanzen des spanischen Staates wiesen Otamendis Begehren ebenfalls ab.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie in meinem Buch “Schreiben für das Baskenland”

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