Madrid greift zum Damoklesschwert

Die baskische Tageszeitung Gara berichtet von einer unmittelbar bevorstehenden Polizeiaktion gegen Anwälte der politischen Gefangenen. Die rechtsgerichtete ABC bereitet medial das Terrain für weitere Massnahmen gegen die baskische Unabhängigkeitsbewegung vor. 

Aufruf zur Demonstration am 11. Januar 2014 für die Rechte der politischen Gefangenen im Baskenland
Im Januar nahm die spanische Polizei mehrere Rechtsanwälte im Baskenland fest, um eine Massendemonstration zu verhindert und erreichte das Gegenteil. Jetzt versucht sie wider . (c) Ingo Niebel

Gara meldete am Montag, dass das spanische Innenministerium mehrere Journalisten über eine großangelegte Polizeiaktion gebrieft hat, „die in den nächsten Tagen stattfinden könnte“. Das Ziel könnten demnach mehrere Rechtsanwälte sein, die baskische politische Gefangene vertreten. Ihnen sollen mehrere Fiskaldelikte vorgeworfen werden.
In der Vergangenheit hat die spanische Polizei solche Vorwürfe benutzt, um baskische Zeitungen und politische Organisationen mit einem sofortigen Tätigkeitsverbot belegen zu lassen. In den nachfolgenden Prozessen, die meistens erst Jahre später erfolgten, erwiesen sich die Behauptungen als haltlos und die Maßnahmen als rechtswidrig. Das belegen zum Beispiel die Verfahren gegen die verbotenen Zeitungen Egin und Egunkaria sowie gegen die erste Vereinigung der Städte und Gemeinden Udalbiltza.

Monarchie steht zur Disposition

Dass trotzdem spanisches Recht gebrochen wird, lässt sich politisch erklären: Der spanische Staat steckt in seiner tiefsten Legitimitätskrise seit dem Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939). Die Monarchie als Staatsform steht ebenso zur Disposition wie auch die viel beschworene „nationale“ Einheit.
Dass im politischen Madrid die Nerven blank liegen, rührt nicht zuletzt von der 123 km langen Menschenkette, mit der am Pfingstsonntag der 150 000 Personen im Baskenland auch international für Aufsehen gesorgt haben. Sie setzte die erfolgreiche Massenmobilisierung fort, die am 11. Januar 130 000 Menschen in Bilbo (span. Bilbao) für die Rechte der noch knapp 500 politischen Gefangenen demonstrieren ließ. Da Madrid sich bei der Gefangenenfrage ebenso unbeweglich zeigt wie bei der Lösung des politischen Konflikts mit dem Baskenland, steigt das zunehmende  zivilgesellschaftliche Engagement, diese Probleme eigenständig und notfalls mit einseitigen Schritten aus der Welt zu schaffen.

Zivilgesellschaft macht Madrid nervös

Aus dieser Konsequenz heraus entstand am Sonntag die Initiative „Sare“ (bask. Netz).  Sie will die Konfliktlösung voranbringen und sich für die politischen Gefangenen und Flüchtlinge einsetzen. Diese Bürgerbewegung füllt so politisch und gesellschaftlich betrachtet die Lücke, die im Herbst das Verbot von Herrira (bask. Nach Hause) gerissen hat. Aber selbst letzteres konnte die Massendemonstration im Januar nicht verhindern.
Daher zeigt sich die baskische Linkspartei Sortu zum einen „sehr besorgt“ angesichts der potentiellen Polizeiaktion, zum anderen aber auch zuversichtlich, da allein die Meldung belege, „dass wir auf dem richtigen Weg sind“.

7000 Polizisten schützen neuen König

Falls das Innenministerium noch an der Operation festhält, wird diese wahrscheinlich nicht in den kommenden 36 Stunden stattfinden. Dieser Zeitraum ist der Inthronisierung von Felipe VI. reserviert, die nach einem strikten Drehbuch ablaufen soll. Das offizielle Madrid bietet 7000 Polizisten und 120 Scharfschützen auf, um wenigstens in der Hauptstadt die zu erwartenden republikanischen Proteste in Schach zu halten. Falls diese jedoch überhandnehmen sollten – landesweit sind für den ganzen Tag dezentrale Demonstrationen geplant -, könnte die Polizeiaktion auch früher erfolgen: Das Basken-Bashing war immer schon ein beliebtes Mittel der Madrider Politik, um die Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung abzulenken und unliebsame Diskussionen zu vermeiden.

Die mediale ETA-Keule

Aber auch damit könnte es bald vorbei sein: Gara hat gerade rechtliche Schritte gegen den El Mundo-Journalisten Eduardo Inda eingeleitet, weil dieser in einer Talkshow fünfmal behauptet hat: „Gara ist ETA“. Für die unterstellte Zusammenarbeit mit der Untergrundorganisation lieferte er keine Beweise, sondern versuchte so vergeblich, die Argumente des Kopfes der linksspanischen Bewegung PODEMOS, Pablo Iglesías, zu entkräften, wie dieser Mitschnitt der Sendung belegt (ab Minute 07:19 u. 09:55). Jetzt ABC eilt dem juristisch, beruflich und politisch schwer bedrängten Inda zu Hilfe, wohlwissend, dass Madrid manchmal diese mediale Vorarbeit benötigt, um das Damoklesschwert fallen zu lassen.

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