Zur Semiotik der Soldatenuniform

Zur Semiotik der Soldatenuniform

(berriak-news/Ingo Niebel) Will man Geschichtswissenschaftler ärgern, reicht es, ihnen einen für sie interessanten Artikel ohne Angabe des Datums und des Mediums zu geben. Unbeschriftete Fotos gehen aber auch.

Foto Quelle: „Portrait Foto 6, Soldat 2.Weltkrieg“ – (Ebay-Auktion. Bildschirmaufnahme, 4. März 2016, 18.57 h.)

An diesem Punkt setzte die Kommission Fotografie der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde an, als sie Anfang 2016 im Call for Papers zu ihrer geplanten Tagung schrieb:

“Jeder kennt das Gefühl: Man entdeckt auf einem Flohmarkt ein altes Fotoalbum mit zauberhaften Fotografien, aber ohne irgendwelche schriftlichen Hinweise auf die abgebildeten Personen, Gegenstände oder Situationen. Forschungspraktisch gesehen, so die unter Historikern nach wie vor verbreitete Meinung, seien die Bilder damit wertlos: Kein Kontext – folglich auch keine nach wissenschaftlichen Kriterien verwertbare Quelle. Doch stimmt das wirklich? Gibt es nicht doch Möglichkeiten, mit Fotografien zu arbeiten, etwas aus ihnen herauszulesen, obgleich eigentlich keinerlei Informationen zur Bildquelle erkennbar sind?”

CfP Kommission Fotografie Deutsche Gesellschaft für Volkskunde, 20016

Als Geschichtswissenschaftler, der in der Regel mit kontextualisierten Quellen arbeitet, aber auch über Erfahrung mit unbeschrifteten Familienfotos verfügt, fühlte ich mich sofort angesprochen. Da gerade kein Flohmarkt in der Nähe stattfand, besuchte ich im Internet  die Verkaufsplattform Ebay. Dort wählte ich willkürlich fünf deutsche Soldaten-Porträts aus der Zeit des Nationalsozialismus (1933/35-1945) aus, die ich näher untersuchte:

  • der „Soldat“, der keiner ist, sondern einer mörderischen SS-Einheit angehört
  • der „TOP General“, der seine Geheimnisse bewahrt
  • der lächelnde “Volksgenosse”, der seinen Kriegsverlauf „en miniature“ auf der Uniform mit sich trägt
  • der Luftwaffenpilot, der schweigend posierend von seinen Taten erzählt
  • der „Elite Soldat“, der zwar keiner ist, aber seinem Verkäufer trotzdem viel Geld bringt

An ihnen zeige ich in erster Linie, wie viele Fakten sich mittels einer angepassten transdisziplinären Methodik aus einem solchen Soldatenporträt wiederherstellen lassen. Des Weiteren lege ich dar, wie einerseits die Verkäufer jedem Bild einen neuen Kontext geben und warum andererseits das Wort “Elite” ein Code für Fotos mit SS-Bezug sein kann.

Das und noch viel mehr können Sie in meinem gerade erschienenen Fachaufsatz nachlesen:

Ingo Niebel (2017): Semiotik der Soldatenuniform. Zum Informationsgehalt unbeschrifteter deutsche Soldaten-Porträts (1933/35-1945). In: Irene Ziehe, Ulrich Hägele (Hrsg.) Eine Fotografie. Über die transdisziplinären Möglichkeiten der Bildforschung. (Visuelle Kultur. Studien und Materialien, Band 12) Münster: Waxmann, 2017: 123-140.

Weitere Informationen zu dem Band und wie Sie ihn bestellen können, finden Sie hier auf der Internetseite des Waxmann-Verlages.